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Christentum und Politik in Deutschland



Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Antwort auf meinen Brief vom 09.11.2021. In Ihrer Antwort auf die Frage, warum der „Marsch für das Leben“ nicht in den Nachrichten erscheint, schreiben Sie u.a. folgendes:

„Bei der Auswahl von Nachrichten unterliegt ARD-aktuell keinem Druck oder Einfluss von außen oder verfolgt gar ein bestimmtes politisches Ziel.“

Sie schreiben auch, dass Sie bei Ihrer Auswahl „gewichten“ müssen. Diese Argumentation ist selbstverständlich insofern logisch, dass in einer 15 min. Tagesschau nicht immer alles gezeigt werden kann. Das Verständnis für Ihre Antwort, welche aber auf fast alle Fragen gepasst hätte, hört aber da auf, wo man feststellen muss, dass bestimmte Vorfälle so gut wie nie einen Eingang in die Tagesschau finden. Im o.g. Fall erwecken Sie völlig realitätsfern den Eindruck, als wenn es nur Abtreibungsbefürworter gäbe.

Weiterhin vermisse ich jegliche Berichterstattung in folgenden Fällen:

Die Organisation Open Doors berichtete am 05.11.2021 von 60 Christen aus Nigeria, welche während eines Gottesdienstes angegriffen und entführt wurden. Einer der Gottesdienstbesucher wurde sogar getötet. Im gleichen Bericht ist davon die Rede, das Anfang Juli 140 Schüler entführt wurden. Auch wenn die Täter bislang unbekannt sind, ist aber auffällig, das Boko Haram immer wieder eine Rolle bei Entführungen von Christen spielt.

In einem Bericht vom 29.10.2021 berichtet Open Doors von verfolgten Christen in Indien. Ein indischer Religionslehrer hat bei einer Kundgebung am 01. Oktober dazu aufgerufen, Christen zu enthaupten. Laut Open Doors finden bereist seit Wochen Proteste gegen Christen statt. Am 03. Oktober griffen 300 Personen eine Kirche an und verletzten zahlreiche Menschen.

Die beiden genannten Länder sind auf Platz neun und zehn des Weltverfolgungsindexes. Auf Platz zwei, aber punktgleich mit dem ersten Platz (Nordkorea) ist Afghanistan. Beide Länder erreichen in fast jeder Wertung die Höchstpunktzahl. Beachtlich ist dies im Hinblick auf Ihre Berichterstattung besonders deshalb, weil über den Abzug aus Afghanistan zwar groß berichtet wurde, aber Christenverfolgung nicht mit einem Wort erwähnt wurde. In zahlreichen Berichten machte man sich Sorgen über muslimische Frauen, welche ihren Sport nicht ausüben können und den Untergang der nicht vorhandenen Demokratie. Aber dass Christen, welche in diesem Land schon immer verfolgt wurden, mit den Taliban in noch größerer Gefahr sind, ist Ihnen vermutlich nicht sehr wichtig.

Anhand dieser Beispiele ist es mir völlig schleierhaft, wie Sie gewichten. Da Vorfälle wie die o. a. fast nie Eingang in die Tagesschau finden, wird der Eindruck erweckt, dass es keine Christenverfolgung gibt. Der Weltverfolgungsindex zeigt, dass Christen in min. 74 Länder der Welt unter schwerer Verfolgung leiden. Die meisten dieser Länder sind muslimisch.

Der Fall Gil Ofarim zeigt, dass vermeintlich rechte Taten immer in der Tagesschau auftauchen. Jedem aufmerksamen Beobachter kam der Fall Gil Ofarim aber von Beginn an seltsam vor. Dieses seltsame Gefühl hat sich dann bestätigt. Als man, ohne irgendeinen Beweis zu haben, von einer rechtsgerichteten Tat ausging, war Gil Ofarim aus keinem Bericht wegzudenken. Nach und nach wurde aber klar, dass diese Vorwürfe wohl haltlos sind, da Zeugen berichteten, dass das angebliche Opfer Ärger im Hotel gemacht hat, weil es nicht bevorzugt behandelt wurde. Auf einmal war der Fall nicht mehr interessant. Gil Ofarim verschwand aus der Tagesschau so schnell wie er kam. Man hatte, wie in vielen anderen Fällen, lieber vom bösen Rechten berichten wollen. Aber da das nun nicht mehr zu halten ist, ist die Redaktion offenbar nicht mehr interessiert, wie schon so oft.

Wie auch beim letzten Mal werde ich diesen Brief und ggf. die Antwort ungekürzt veröffentlichen. Ich bitte Sie, dieses mal eine Antwort zu geben welche auch auf mein Anliegen eingeht. Bitte erklären Sie doch, wie Sie gewichten, und warum die Christenverfolgung kaum eine Rolle spielt, obwohl sie doch die Gruppe ist, welche am meisten verfolgt wird. In vielen anderen Fällen, beispielsweise die verfolgten Uiguren, seltsamerweise Muslime, berichten Sie ja auch. Das kann auch gerne so sein, aber sollten verfolgte Christen nicht eine mindestens gleichgroße Rolle spielen?

Über eine ausführliche und aussagekräftige Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen.

Oliver Zielinski